Die klingt wie der Anti-Soundtrack der Party-Generation Z, sepiafarbene Abzüge einstiger Schönheit – bei Lana Del Rays „Hollywood-Sadcore“ erlebte die Musikwelt so einen schmeichelnden Anachronismus schon einmal. Süddeutsche Zeitung
Malva sitzt mir gegenüber, wild gelockt und doch ordentlich frisiert. Feingliedrige Hände umfassen eine Kaffeetasse. Große Augen ertasten Raum und Menschen, denn Malva betrachtet gerne das Leben – ihres und das der anderen, generell und auf ihrem zweiten Album „A Soft Seduction Daily“. Sie schaut von oben herab, ohne jedwede Herablassung, dafür aus einer Art erzählerischen Vogelperspektive. Probates Transportmittel der Wahl sind Töne, Melodien, Kadenzen, die auch auf ihrem zweiten Album ohne Anstrengung herausperlen, aus dieser jungen Frau, die sich aufmacht, das Dasein zu erkunden. Malva, die mit zwölf Jahren erste Songs aufnahm und schon Melodien nachgesungen hat, als ihr noch die Worte fehlten.
„Manchmal sagen Leute „Sei doch mal laut!`“ Malvas Ringe klackern auf ihrer Tasse ungeduldig den Takt zum eigenen Unverständnis. Leicht war das nicht, diese übergriffigen „Ich meins doch nur gut“-Attitüden abprallen zu lassen. Diese Zeiten sind nun vorbei, fährt das Publikum doch gerade wegen Malvas Ruhe runter und gibt den Raum frei für ihre immense Präsenz. Denn die Band schafft, was nicht viele können: laut im Leise sein. In einer Zeit, in der alles schneller, massiver und immer eins mehr sein soll, jeder Reiz den anderen übertrumpfen muss, hat MALVA die einmalige Gabe, jedes Ion in Halle, Saal oder Club komplett mit musikalischer Anwesenheit auszufüllen. „Sobald ich auf der Bühne stehe und loslege, kann ich mich selbst greifen und bin bei mir. Dieses Gefühl habe ich sonst nur beim Schreiben.“
Malva ist Namensgeberin des Duos MALVA, das auch aus Quirin besteht, der diverse Instrumente spielt und für Arrangement, Produktion plus Mix der Songs zuständig ist. Außerdem stammen die Instrumentals von “Paper-Thin”, “Electric”, “Your Came Along” und “Dizzy” von ihm. Dabei solle doch bitte nochmal erwähnt werden, dass die beiden kein Paar sind. Augenscheinlich wird immer noch davon ausgegangen, man müsse ein Paar sein, um gemeinsam Musik zu machen. Malva und Quirin also, die nicht im Traum daran denken ein Paar zu sein und sich trotzdem als musikalisches Traumpaar perfekt ergänzen. „Ich schreibe die Texte und meistens auch die Melodien und lege sie in seine Hände“, sagt Malva, denn Quirin, Master der Mischung, lässt nichts fallen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemanden finde, der mich so gut versteht!“. Die beiden teilen sich eine musikalische Wellenlänge. Eine, die nicht zu sehr nach Beat oder Elektronik klingt, sondern ihren analogen Charakter behält.
„A Soft Seduction Daily“ erzählt von Auf und Abs, Serpentinen und Kurven, Romanze und Melancholie, spielt mit Worten, Musikstilen, dem Leben im Konjunktiv – wobei selbst die leise Nachdenklichkeit angenehm nach Zartbitter schmeckt. Malva und Quirin fangen auf dem zweiten Album an, sich in diverse Richtungen zu bewegen, die Grenzen ihrer musikalischen Persönlichkeit auszuloten und so klingt „A Soft Seduction Daily“ durchaus auch mal etwas lauter. „Wie können wir noch sein?“ fragten die beiden sich, wo das erste Album eher fragil wirkte. Malva lächelt „vielleicht habt ihr euch ja alle getäuscht!“. „Electric“ ihr Song, der die sensible Zartheit an der Disco-Garderobe abgegeben hat, will nicht gestreichelt werden, sondern wild auf der Tanzfläche die Haare schütteln und dabei mit den Hüften wackeln.
Den Anfang der gemeinsamen Historie von MALVA liefert ein Konzert von Jesper Munk in München. Malva und Quirin sind zum ersten Mal verabredet, aber sie hat ihr Ticket vergessen und muss nochmal nach Hause. Bei ihrer Rückkehr spielt die Vorband schon. Bleibt also nur schnell reinrennen … und frontal mit jemandem zusammenstoßen. Als Malva eine Entschuldigung stammelnd den Kopf hebt, steht Jesper Munk da und sagt ganz lässig: „Alles gut, kein Stress!“. Und jetzt? Alles gut. Folgt doch auf dem neuen Album ganz passend zur ersten Begegnung der gemeinsame Song „Romance With A Memory“. „Es ist so schön, Du läufst als Fan in jemanden rein und jetzt gibt es ein Duett!“ strahlt die Person Malva. Jesper und Malva teilen sich nicht nur
das Monopol der schönen Stimmen, dieses Lied ist rundum ein musikalisches Elementarereignis. Zwei Stimmen, die sich ineinanderflechten, mal über- und mal untereinander fließen, die sanfte Verführung schöner, fast jazziger Töne – la vie est belle. Mensch ist schon nach dem ersten Refrain verliebt … in sie und ihn, die Jugend und die junge Liebe, während jeder Ton rein stimmlich runtergeht wie flüssige Schokolade. Eine zwar subjektive Einschätzung aber nicht minder veritabel, denn Liebe ist ja universell, wie gute Musik.
Wo wir wieder beim Albumtitel wären: „A Soft Seduction Daily“ – ja, bitte! Eine weitere Zusammenarbeit der schönen Töne liefert Malvas Song „Paper-Thin“ mit dem Österreicher Oskar Haag, der sie im März 2023 als seinen Support nach Wien und Linz einlud. Oskar, zwischenzeitlich mit einem FM4-Amadeus-Award ausgezeichnet, teilt sich mit Malva auf „Paper-Thin“ den Chorus, so dass an dem Song so gar nichts außer dem Titel dünn daher kommt.
Malva textet auf Deutsch und Englisch. Laut Malva steht bei den deutschen Songs immer zuerst der Text. Sie schreibt jeden Tag exakt drei Seiten in ihr kleines, schwarzes Notizbuch. Erlebtes, Erdachtes, Erfundenes wird zu Papier gebracht und vielleicht später zu einem Song gemacht … bei den englischen Titeln ist es andersherum, da spielt zuerst die Musik. „Ich spüre, ob eine Melodie Englisch oder Deutsch ist“. Englisch sei ein Stück weiter weg „da bin ich ein anderer Teil von mir, vielleicht ein bisschen mehr sassy. Zu den deutschen Liedern habe ich einfach einen viel persönlicheren Bezug.“ Malvas Texte beherrschen die hohe Kunst Emotionen mit Sprache zu versehen und dabei nicht kitschig zu klingen. „Du gibst mir die Heiterkeit zurück und danach einen aus. Wegen dir bin ich diesmal wieder hier, bekomm ich auch mein Glück bei dir aufs Haus?“ So zu hören in ihrem Song „Glück aufs Haus“ einer vertonten Beobachtung aus Malvas Lieblingsbar. „Im Café Kosmos sind immer dieselben Leute und ich hab mich gefragt, warum sie jeden Tag hingehen, ob sie zum täglichen Drink auf ein bisschen Glück, einen kurzen Moment der Aufmerksamkeit hoffen … “. Da sitzt sie auf
der grünen Samtcouch mit dem ausgezeichneten Blick aufs illustre Publikum, um die nächste Geschichte ins schwarze Büchlein zu schreiben.
„Mal schauen , wo es mich noch hintreibt.“ sagt Malva. „Ich möchte nichts an mir verändern müssen, nur damit ich in ein Konstrukt passe und die Leute mich anders wahrnehmen. Die denken, weil ich so ruhige Musik mache, muss ich auch introvertiert und scheu sein“. Bleibt nur eine freundliche Empfehlung an all die „Lauter“- Rufer vielleicht doch einen Versuch im Leise sein zu wagen … Text: Lea Rothdach