Die offenkundigen Vorbilder von Bradatsch spielen nicht .. in einer anderen Liga als er. Sie sind nur vor ihm da gewesen. TAZ
Philip Bradatsch ist wohl das Ungeheuerlichste, was die deutsche Indie-Szene in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Einer mit Attitüde, einer, der Haltung einnimmt. Zwar sind ihm aktuelle Hörgewohnheiten oder Playlists mitnichten egal, nur bedienen will er sie eben nicht. Stattdessen führt er sie mit kryptischen, dylanesken Versatzstücken vor, erschafft einen Sog aus Bildern, Räumen und Stimmen. Und überquert auch mal unverfroren die Wohlfühlgrenze. Dann haut er sie raus, die verwerflichen Gefühle, die so wahrhaftig sind, dass niemand sie zugeben mag. Nicht mal vor der Arroganz hat er Angst, und schon gar nicht vor der deutschen Sprache, wie er nun auf seinem neuen Album „Jesus von Haidhausen“ erstmalig eindrucksvoll unter Beweis stellt. Nach dem ersten Zusammenzucken denkt man, der traut sich was, aber sympathisches Understatement ist nicht Philip Bradatschs Sache. Hinterher ist man froh, mit manch unliebsamem Gefühl nicht alleine dazustehen. Und man ist beseelt von der musikalischen Fülle. Denn Philip Bradatsch wartet mit Überraschungen auf, seine Songs ziehen langsam herauf, beklemmen, bäumen sich wütend auf und lösen sich im nächsten Moment in wundervolle Harmonien auf. Zwischen düster-bedrohlichen Klangwelten plötzlich ein lakonischer Schmunzler, im dumpfen Weltschmerz auf einmal eine Zärtlichkeit, die einem warm ums Herz werden lässt. Und hinter ihm rumpeln, ächzen und rocken die fabelhaften Cola Rum Boys, dass es eine wahre Freude ist. Solo oder im Band-Kollektiv, am Ende ist Philip Bradatsch wohl das, was sich so lange niemand zu vermissen getraut hat: Rock’n’Roll.