Adam und Elke im Paradies
Der Liedermacher und „Groooveman“ Funny van Dannen singt jetzt auch über Gleichberechtigung, will aber keine Frau sein
Den Weg zum Wiener Café in Berlin-Tempelhof erklärt Funny van Dannen anhand der Blumenläden, die an der Straße liegen. Was wohl daran liegt, dass seine Frau in letzter Zeit die Pflanzen dieser Welt entdeckt hat, seitdem „ganz high ist und am liebsten den ganzen Tag im Garten wühlen würde“. Überhaupt die Frauen: Neben lustigen Liedern über sexfixierte Bonobos und Vladimir Putins Cousine, neben traurigen Liedern über alte Straßenköter und den üblichen Songs über das Leben, das unwiederbringlich vorüberzieht, findet sich auf seinem aktuellen Album „Groooveman“ („mit drei o-o-o“) auch eine Hymne an die „Frauen dieser Welt“, die ganz nebenbei jeden Tag die Welt retten.
Von den meisten Sängern würde man so etwas nun wirklich nicht hören wollen. Warum stört es einen bei Funny van Dannen nicht? Vielleicht, weil er sich nicht einschleimen will, – „das würde ich nie wagen“ – sondern nur mal „hallo sagen“ will. Und ein Statement abgeben: „Ich bin jetzt 44 und ich muss sagen, ich habe mit Frauen sehr gute Erfahrungen gemacht“. Wie er so dasitzt und in seiner Schokolade mit Sahne rührt, während eine dünne Haarsträhne wie bei Maxens Moritz keck in die Höhe ragt, glaubt man es ihm sofort. Selbst verschnupft und mit dickem Kopf, am laufenden Band Tempotaschentücher vernichtend, ist er ausgeglichen und charmant. Von einem „fairen Umgang miteinander“, singt er in dem Lied an die Frauen, seien wir noch weit entfernt. Er singt das so, dass man über die abgegriffene Worthülse vom „fairen Umgang“ lachen muss und gleichzeitig merkt: es ist ihm auch ernst damit.
Die meisten seiner Lieder sind leidenschaftlich und verspielt, zarte Poesie und krasse Absurditäten existieren friedlich nebeneinander und finden auf wundersame Weise im richtigen Groove zur Balance: Ein Schwebezustand zwischen Lachen und Weinen. Die Songs tragen Titel wie „Posex und Poesie“, handeln von Butterkeksen namens Johnny, von jungen Christen unterwegs und von der Liebe. Melancholie? Kommt auch vor. Was vor allem mit dem unbegreiflichen Fortschreiten der Zeit zu tun hat: „In letzter Zeit geht alles so rasend, so unwahrscheinlich schnell / Mein Kopf ist ein Flughafen und mein Herz ist ein Hotel“.
Sechs Alben hat Funny van Dannen veröffentlicht und sich bei ausgedehnten Konzertreisen eine treue Fangemeinde erspielt. Er singt für gewöhnlich so lang, bis die Stimmbänder versagen, und hernach liest er noch ein paar von seinen Kurzgeschichten. Dann erfährt man beispielsweise, dass Adam und Eva in Wirklichkeit Adam und Elke hießen. Der Mann mit der Gitarre ist ausgebildeter Grafiker und malt, manchmal im Comic-Stil, manchmal „eher so malerisch“. Seit 1978 lebt van Dannen in Berlin, seit zwanzig Jahren ist er verheiratet. Er hat vier Söhne, der Kleinste ist fünf.
Zum fairen Umgang zwischen den Geschlechtern gehört für den Liedermacher auch, sein Leben so einzurichten, dass seine Frau ebenfalls ihren Beruf ausüben kann. Sie ist Modedesignerin, „und zwar eine richtig gute“, doch der Wiedereinstieg nach drei Kindern funktionierte nicht: „Das hat ihr keiner geglaubt, dass da im Hintergrund noch ein Typ ist, der sich auch um die Kinder kümmert“. Jetzt hat sie einen eigenen Modeladen, um die Kinder kümmern sie sich gemeinsam. Als Talkshowgast zum Thema Hausmann steht van Dannen aber nicht zur Verfügung. Schließlich sei er als Künstler in einer privilegierten Situation, was die Organisation des Alltags angeht.
Dem Künstler-Hausmann bleiben manchmal nur zwei Stunden effektive Arbeitszeit pro Tag, „und versuch‘ mal, pünktlich kreativ zu sein“. Wir sind eben alle Kunden der Zeit. Aber die Einsamkeit pflegen, um Ideen aus sich herauszuwringen, daran glaubt er nicht: „Diese Leidenstheorie kann ich schon mal gar nicht leiden“. Seine Lieder, Bilder und Bücher entstehen aus der Geselligkeit mit Freunden und Familie und aus dem Gefühl der Harmonie. Zum Ausgleich für all das Sanfte hört er dafür heimlich im Hobbykeller „menschenverachtende Untergrundmusik“. Das behauptet er zumindest auf dem schönen neuen Album „Groooveman“, über das die Viva-Popkoryphäe Charlotte Roche sagt: “ Ich bin superbegeistert. Wie kann man sich selbst nur so toppen, jedesmal?“
Ein Dogmatiker ist Funny van Dannen jedenfalls nicht – und auch kein reiner Pazifist: „Fußballspiel ohne Aggression ist langweilig, und immer nur Poesie ist auch langweilig“. Es geht, wie so oft in seinen Liedern, um das Gleichgewicht. Denn „das Leben muss bunt sein, es muss krank und gesund sein“.
Auch deshalb wollte er, „wo heutzutage alles so frisch und neu und knackig“ sein muss, ein bisschen gegenhalten und sagen, dass das Thema Gleichberechtigung kein alter Hut ist. Alice Schwarzer? Ist ihm persönlich zwar nicht gerade sympathisch, aber „wenn es mehr gegeben hätte, die sich so engagieren, dann wären wir ein Stück weiter“. Weder Madonna will ihm als Galionsfigur der Emanzipation so recht einleuchten noch Verona Feldbusch. Die Strategie der einen ist ihm zu herzlos, die andere tue sich mit ihrem Dummchen- Image keinen Gefallen.
„Freundinnen müsste man sein“, hat er mal schwärmerisch gesungen. Eine Frau will er aber trotzdem nicht sein, nicht mal als Experiment für einen Tag. Schließlich hat ja jeder „ein bisschen Mann und ein bisschen Frau“ in sich, das reicht dann schon. Schon als Teenager in einem kleinen Dorf an der holländischen Grenze hat er sich besser mit Mädchen als mit Jungs verstanden. Geschadet hat das seinem pubertär-fragilen Ruf nicht: „Ich war außerdem gut in Sport und später hab ich ja dann auch Gitarre gespielt“. Damit war die Sache mit der Männlichkeit geritzt.
Und heute? Freut er sich darüber, dass seine Frau cooler ist als er: „Manchmal hat sie so eine tolle Distanziertheit. Sie sagt dann einen Satz, und der sitzt und fertig“. Funny van Dannen hält einen Augenblick inne und kriegt leuchtende Augen. „Für Aggressionen bin ich einfach nicht der Typ“, sagt er dann. Auch wenn er sich das in gewissen Situationen wünschen würde. „Aber ich übe noch. Jeden Tag.“ Und Berlin ist dafür ja kein schlechtes Pflaster.