So gut und abwechslungsreich und wenig schlageresk war sie schon lange nicht mehr. Die Mischung aus Klavierchansons, Krautrock und Songwriter-Pop ist gut, die Songs sind melancholisch, aber immer mit Optimismus versehen. Sie ist eine Meisterin des Subtexts. Ich habe mich beim Hören gefragt, warum muss Helene Fischer die Stimme der Nation sein und die Massen begeistern? Das könnte doch auch Bernadette LaHengst. BR Zündfunk
Wir sind die Vielen – was für ein Titel für das 6. Solo-Album von Bernadette La Hengst – denn der Name ist Programm. Fast klingt es so, als hätten sich auch die Songs zu den VIELEN zusammen geschlossen.
Es sind nicht nur die VIELEN, es sind auch die Unterschiede und die Verschiedenheiten, alle sind anders, hier wird die Schönheit der Vielfalt gefeiert.
Aber war das nicht schon immer so bei Bernadette, die seit der Auflösung ihrer wegweisenden Hamburger Girl-Pop-Punk-Band „Die Braut haut ins Auge“ im Jahre 2000 solo unterwegs ist?
Ja, aber diesmal ist es anders. Outernationaler.
Vielleicht so: Krautrockchansons meet ArabPop auf der Straße des Lovers Soul.
Bernadette (er)fand einige der VIELEN Songs auf einer Expedition zwischen Madrid und Casablanca in einem Embryo-esken Bus, aus dem heraus sie 2016 ihr Café Europa eröffnete, um dort Lovesongs mit Passanten zu schreiben. Ein Jahr später ging Bernadette dann in Beirut auf musikalische Spurensuche nach ihren Eltern, die dort in den 60ern gelebt haben.
Da verschmilzt die Oud der libanesischen Musikerin Youmna Saba mit Bernadettes catchigen Popsongs, die Sprachen überschneiden sich und treffen sich wieder auf der Straße von Gibraltar, um Europa von der anderen Seite zu besingen.
Die Roadmovie Songs „I am art“, „À Beirut“ und „Wherever I’m going“ nehmen uns mit auf die Reise zwischen Okzident und Orient, und die Casablanca Hymnen „Gheda Inchallah“ und „Beauty in the dirt“ pfeifen die Spatzen in Marokko seitdem von den Dächern.
Raus aus den Komfortzonen, rein in die Welt, lasst uns viele sein, nur so können wir gewinnen gegen Populismus, Rassismus, die Beschneidung der Kunstfreiheit, den Klimawandel, eine Welt ohne gute Musik und im besten Falle gegen den Tod. Bernadette La Hengst
Bernadette La Hengst hat wieder mal VIELE Gäste auf ihrem Album versammelt, mit denen sie die Grenze zwischen Persönlichem und Politischem erweitert:
In „Der Affe fällt nicht weit vom Stamm“ krautrockt sie z.B. ausufernd zu einem Text des Bildhauenden Poeten und langjährigen Weggefährten Volker März.
Der Titelsong „Wir sind die Vielen“ ist 2018 entstanden, als sie zusammen mit anderen Berliner Künstler*innen in der Gruppe „Die Vielen“ Strategien gegen Rechts entwickelte.
Das mitreißende Video zum Song wurde von der Zukunftsstiftung Futurzwei bei der „Glänzenden Demo“ gegen die AfD im Mai 2018 in Berlin als Kampagnensong produziert.
Die Lieder „I need air“ und I‘m an island“, geschmettert vom Kinder- und Jugendchor der Oper Bonn, die Bernadette für die Weltklimakonferenz in Bonn und Katowice geschrieben hatte, schrauben die Erderwärmung locker auf 1,5 Grad herunter. Das Kampagnenvideo der BMZ zu „I‘m an Island“ wurde unglaubliche 2 Millionen Mal angeklickt.
Es scheint, als hätten sich alle 13 Songs auf „Wir sind die Vielen“ mit poetisch-trotziger Melancholie gegen die Vergänglichkeit verschworen. In „Das Leben muss scheitern“ blasen die Saxophonistin Samantha Wright und die Posaunistin Sonja Beeh des David Bowie Musicals Lazarus, bei dem Bernadette im Hamburger Schauspielhaus seit 2018 die Leadgitarre spielt, dem Tode den Marsch.
Es war eine geniale Idee Bernadettes, mit ihrem mobilen Studio musikalische Brücken durch Tauschgeschäfte mit Gastmusiker*innen aus Casablanca, Beirut oder z.B. aus dem Montagscafé in Dresden zu bauen, wo der energievolle Burkina Fasoer Ezé Wendtoin lebt, der dem Song „Wir tauschen uns aus“ seine Stimme gibt.
Das wunderschön verlorene „Mutterland“ sucht nach den Spuren der Vergangenheit, ein Abgesang auf die Nation und klingt mithilfe der Cello Orchestrierung von Claudia Wiedemer wie ein Versprechen in eine neue grenzenlose Welt. „Nur dort wo wir lieben, ist neues Land“.
Und am Ende des Albums, nachdem alles gesagt und gesungen wurde, bleibt ein leuchtendes Nichts. In „Verstummen“, einem weiteren Text von Volker März, singt sie „Wir schweigen und wir wiegen uns, bis unsere Fingerspitzen schwitzen.“ Bald ein Klassiker.
Pressezitate:
..Mühelos schaffen ihre Songs den Spagat zwischen Persönlichem und Politischem. Und: Sie machen Hoffnung. Spex
So lustvoll hat noch niemand in einem Popsong die Totalverweigerung besungen. Bei Bernadette paaren sich Intelligenz und Leidenschaft mit einem Faible für großartige Melodien. BR-Kulturjournal
..Da grooven die Loops und haben darüber doch nicht die Denkschleifen vergessen. Szene Hamburg
..Elegant und witzig, mondän, unverschämt und scharfsinnig. Die Zeit
..Zu La Hengsts Revolution wollen wir tanzen – hier wächst zusammen, was zusammengehört. Musikexpress
..Klar, wütend, sentimental, gebrochen, durchgedreht, humorvoll und subversiv – und dazu ein Bier. Arte