Er jault und flüstert – schreit und schimpft – spricht und erzählt – lacht und grinst….
Eindringlich, genau, unerbittlich, schnell und rhythmisch.
Seit 20 Jahren erspielt sich Hans Söllner ein eigenes, riesiges Publikum mit steigender Tendenz und gegen alle Regeln des Geschäfts. Man muss es erleben, wie er – der ansonsten Verfehmte und Totgeschwiegene – auf grossen Festivals von 25Tausend Leuten als Hauptact gefeiert wird. Und die ihm, dem 49jährigen da zujubeln sind immer noch zwischen 15 und 25, ohne dass sie ihn verlassen, wenn sie älter werden. Ein „Phänomen“, das es in Deutschland kaum gibt, wir kennen sonst eine solche Einheit von Existentiellem und Populärkunst eher aus der Ferne. Er lässt die Leute teilnehmen an den Wegen seiner Person und macht das zu einer Kunst, in der sie sich wieder finden, an der sie sich reiben können. Hans Söllner spielt keine Rolle, er ist sie, lebt in ihr, zeigt Haltung. Er folgt sich selbst, statt Wege zu weisen; unterwirft sich seinen eigenen Gedanken und Gefühlen, statt etwas heraufzubeschwören oder zu lehren. Er gehört zu den Typen, die wie Einsiedler wirken aber den Menschen lieben und ihn nie einem System unterordnen würden. Daher ihre widersprüchliche, unberechenbare Popularität.
Und diese Beliebtheit bei den Leuten macht die im Übrigen mit Ausschließen befassten Apparate zunehmend williger, Söllner zu präsentieren. Er wird als Zugpferd geholt für Festivals, im Fernsehen sieht man zum wiederholten Male 45minütige Live-Mitschnitte und im Frühjahr soll es eine Dokumentation über ihn im Kino geben.
Söllner ist der Heroe eines rauen, gesellschaftlichen Untergrunds im deutschsprachigen Süden, von dem der feinere „Underground“ gerne auch etwas unter den Füssen hätte. Mit Stimme, Gitarre, verblüffender keltischer Erzählkunst, wurde Söllner zum Idol für 100Tausende. Gerade weil dieWelt der Medien, von Geld und Macht und der feinen Gesellschaft ihn ignoriert und bekämpft. Aus solchen emotionalen Energien, aus Direktheit im Zugreifen, Freiheitssehnsucht, Sozialkitsch, politischem Weltschmerz und privatem Drang entsteht Popmusik, die trifft.
Irgendwo zwischen Bob Dylan, Johnny Cash, Kurt Cobain und einem bayrischen Wilderer treibt Söllner sein Wesen. Ein schlagfertiges Bündel Wut mit Gitarre, mit seinem starken Gerechtigkeitsgefühl und einer sich immer mehr auslebenden instinktiven Musikalität.
Der beste Beweis dafür ist seine aktuelle CD mit einer excellenten, neu formierten Band „Bayaman´Sissdem“: „Owei I“. Auch diesmal schleudert er wieder Grobheiten mit hohem Wiedererkennungswert heraus. Er kennt den Druck und den Dreck einer Existenz, in der Menschen zu Insassen einer Weltordnung gemacht werden oder sich selber machen, zur Genüge – ohne jedes Ghetto-Getue. Er hat sich selbst aus diesem Loch herausgebuddelt mit Worten und Stimme und auf der Bühne. Und deshalb ist bei ihm die andere Seite, Hoffnung, Zärtlichkeit und Liebe immer stärker als die Wut.
Seine Sprache gehört zu ihm nicht wie ein zufälliger Dialekt, sondern wie ein Ur-laut, den ihm niemand nehmen kann und wird (das ist auch seine Botschaft an seine staatlichen Kontrahenten!), eine Art süddeutsches Patois. Und in dieses faszinierende Innenleben der sprachlichen Aneignung seiner Lebenswelt lädt er die Zuhörer mit ein, als würden sie zu sich selbst hinabsteigen.
Die anarchische Lust am selbstbestimmten Leben offenbart seinen Sinn für die Metaphysik der Underdogs. Söllner singt um sein Leben. In Liedern über die Liebe, übers Vatersein, übers Sterben fallen Sätze, wie sie wahrhaftiger nicht sein könnten.
Sein Blick umarmt die Welt, seine Sprache rührt am Wesentlichen, ist genau und intensiv, gewitzt und tränenlos traurig.
Hier kostenlos einen kompletten Song des Albums anhören und/oder runterladen:
„Er singt nicht bloß, er umschmeichelt und karessiert und liebkost und herzt die Sprache wie niemand sonst auf weiter Flur.“
Süddeutsche Zeitung