Hans Söllner hat den frisch gekürten Literaturnobelpreisträger Bob Dylan zu seinem 60sten Geburtstag mit einem sehr persönlichen und zeitlosen Brief gewürdigt, der Dylans Bedeutung besser auf den Punkt bringt als wir es mit irgendwelchen Lobhudeleien schaffen würden.
Brief von Hans Söllner:
„Wenn ich mich heute hier her setze, dann fällt es mir wirklich schwer etwas zu schreiben über einen Menschen, der mich mal mehr und mal weniger, aber immerhin die letzten 30 Jahre ununterbrochen mit sich konfrontiert hat. Über mein Sexualleben zu schreiben wäre einfacher, das ist fast genauso lange da wie er und doch haben sie nichts gemeinsam, außer daß sie beide eben da sind.
Irgendwie bin ich irgendwann anfang der 70ger Jahre auf Bob Dylan gestossen und das erste Lied, das ich von ihm hörte, hatte noch nichtmal einen Text.
Wigwam, mein Bruder hatte sich diese Single gekauft und ich hörte dieses Lied und damit wäre schon alles über Dylan gesagt.
Wenn ich den Namen Dylan höre und lese, dann höre oder lese ich Wigwam.
Ich bin kein Dylan-Kenner und weiß nichts über ihn. Ich habe das über ihn gelesen, was alle über ihn gelesen haben, die sich für ihn interessieren, aber ich bin ein Wigwamhörer und so weiß ich, daß er einfach nur sein Ding macht auf dieser Welt. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die sich auslachen lassen und doch nicht das Bedürfnis haben besser zu werden.
Einfach so sein.
Braucht ja keiner kommen.
Hast du Pech gehabt heute, vielleicht ist das nächste Konzert besser. Es gehört wirklich Mut dazu, sich vor 3, 5, 100000 Menschen einfach versagen zu trauen. Ich habe Platten von Herrn Dylan auf denen 40 Minuten nur gepfiffen wird….Wigwam.
1978 bin ich mit einem Fiat 850 von Reichenhall nach Nürnberg gefahren, um mir ein Konzert von Bob Dylan auf dem Zeppelinfeld anzuschauen.
Am 18.Juli 2001 werde ich zum zweiten Mal in meinem Leben auf ein Konzert von Bob Dylan gehen und ich habe wirklich fast Angst davor, denn das Konzert auf dem Zeppelinfeld war das Beste, was ich überhaupt bis heute an Konzerten von irgendjemandem gesehen habe. Es war für mich – und ich spreche nur für mich und auch nur für diesen Abend – der Beginn einer Zeit des Ausgelachtwerdens und doch nicht Besserwerdenwollens. Fast schäme ich mich hier heute über jemanden zu schreiben den ich gar nicht kenne, aber wie gesagt, ich kenne Wigwam.
Ich war mit Tausenden Menschen auf dem Zeppelinfeld und Tausende haben geschrieen und geweint zu seinen Liedern und sind später Richter geworden und Waffenhersteller.
Das ist Dylan, denn ich weiß er ist keinem böse.
Sie haben ihn im Stich gelassen und ihn in den Himmel gehoben.
Sie haben über ihn geschrieben und geschimpft (ich habe schlimme Sachen über ihn gelesen in deutscher Sprache).
Sie haben über ihn philosophiert und sie haben ihn ausgelacht.
Das ist Bob Dylan.
Ich warte irgendwie auf den 18.7. und hoffe, daß mir noch irgendetwas dazwischen kommt, das wichtiger ist als er in meinem Leben.
Er ist kein Gott oder Messias, er ist Dylan und ich würde ihm gerne mal die Hand schütteln, weil ich glaube, daß er einen guten Händedruck hat.
Egal wie es wird und was Er sich für diesen Abend vornimmt, er wird Wigwam nicht spielen, auch nicht für mich.
Respekt Herr Dylan
Rasta
Hans Söllner“