Man darf sich das als kosmischen Liedermacher-Pop vorstellen: eine Gemengelage aus der selbstbewussten Grazie der italienischen Cantautori, britischem DIY-Postpunk und deutschem Krautrock. „Nur die Realität“ ist ein fiebriger Traum zwischen Spacemen 3, Ennio Morricone und Northern Soul, „Paradies“ klingt wie Nikki Sudden in Begleitung von Neu!, „Frei und verloren“ wie die Flaming Lips, bevor Wayne Coyne das Rock’n’Roll-Theater für sich entdeckte.
Musikexpress 4 1/2 Stern
Hallo Menschen, liebe Szene, seid bereit für eure neue Lieblingsband!
Was wir hier erleben, ist das Aufschlagen einer Band zum sofortigen Schockverlieben:
Ein Trio-Trio, bestehend aus drei Typen, die man schon immer mal seinen Eltern vorstellen wollte:
ein nasal grummelnder Sänger im Sakko, ein Multi-Instrumentalist in quietschiger Manga-Klamotte und ein hundscooler Bassist, von dem nicht gesichert überliefert ist, ob er wirklich Bass spielen kann.
Großenknetener Grünkohl trifft Kölner Kraut. Yeah!
DIE REALITÄT heißt natürlich nicht umsonst DIE REALITÄT: Es geht hier um die ganz großen Themen. Schon auf ihrer Debütsingle „Nur die Realität“, einem irrwitzigen Kraut-Pop-Monster, legten sich die drei Schülerpraktikantinnen des Dark Rock mit dem größten aller Gegner, der Realität höchstselbst, an: „Hier am Ende der Schönheit, am Anfang der Welt / Stehn wir mit leeren Koffern und mit Herzen voller Geld“, singen sie. Dazu heult und dröhnt es, als tanzte Dario Argento mit den 39 Clocks in der Dark-Folk-Disco.
Die Realität erbringt den Beweis, dass alles sein Gegenteil braucht, um sich als Erscheinung abzuzeichnen (ok, leicht abgedreht vielleicht, aber das gilt für dieses Album ebenso – im positiven Sinn). Natürlich ist „Bubblegum Noir“ in spiralenartiger Manier um psychedelische Momente zentriert, die per Hall und Echo eine irrlichternde Verlorenheit in Zeit und Raum hervorrufen. Dazu passen die Texte voller Brüche, Absurditäten und Anti-Symmetrien sowie die distinguiert-entrückte Stimme Eric Pfeils, der immer mal wieder wie ein als Crooner verkleideter, unironischer Jacques Palminger klingt. Kaput-Magazin Album der Woche
Als Produzent für ihr episches, in zwei zusammenhängende Suiten aufgeteiltes Werk konnte „Deutschlands älteste Schülerband“ (Zitat DIE REALITÄT) den unvergleichlichen O.L.A.F. Opal gewinnen, der zuvor u.a. für International Music, The Notwist oder Naked Lunch den Tambourstab schwang. Opal schaltete sämtliche Regler auf „The Hi-Fi of Lo-Fi“ und brachte allerhand Tape Delays und andere unerforschte Effektgeräte mit ins Studio. Das erklärte Ziel: ein Album zu machen, dessen Sound mit anderen gegenwärtigen Indie-Pop-Produktionen nichts zu tun hat.
Auf „Bubblegum Noir“ verbinden sich nun der kauzige Eigensinn von Trio mit dem epischen Tuckern von Can und dem eleganten Noise der Flaming Lips. Die drei Schepperköpfe der Kölner Schule bieten alles auf, was dem Connaisseur freifliegender Irrsinns-Popmusik lieb ist: Sonic-Youth-Feedbacks und Wave-Bässe, Mellotrone und Shoegaze-Klangwände, Dubs und Tape-Delays, Congas und Bongos, Klaviere und Rumbanüsse, Flexa- und Otamatone, honigsüße Melodien und grotesken Krach. Doch bei aller weirdness geht es hier vor allem um eins: Songs, die man jetzt und hier als Soundtrack für den Kampf gegen die Ekligkeiten der sogenannten Wirklichkeit braucht. Denn natürlich geht es um Leben und Tod!
Die Themen der Band: Das Dasein mit all seinen Versprechungen, Enttäuschungen und Grauenhaftigkeiten. Die Pflicht zum Irrsinn im fortgeschrittenen Alter. Und immer wieder: die Realität mit all ihren Unverhandelbarkeiten.
DIE REALITÄT meint es ernst, wenn sie in einem ihrer Songs „ein romantisches Leben“ (mit Christoph Clöser von Bohren & Der Club of Gore am Sax!) einfordert. Und die Musiker wissen hörbar um das bittere Glück ihrer Generation, wenn sie singen: „Wir sind frei und verloren“. DIE REALITÄT tanzt im Goblin-Club und feiert Weihnachten in Stahlwolle! Zwischendurch huldigt man mal eben ganz nonchalant den Go-Betweens im bittersüßen Pop-Hit „Robert Forster/Grant McLennan“, bevor am Ende der Über-Hit „Die traurige Discothek“ zum endlosen Rave der Tränen in den Club der Entrechteten entführt.
Wie immer, wenn es um Schönheit geht, bleiben am Ende mehr Fragen als Antworten: Ist das hier Höhlenmenschen-Pop für Kunststudenten oder Kunststudenten-Pop für Höhlenmenschen? Sind das Hippies? Oder gar Punks? Geht es um charmante Nonchalance oder ist das hier der schiere Größenwahn? Spinnen die? Stimmt es, dass hinter der Band eigentlich drei degenerierte Adelige mit einem Fimmel für Eierlikör stecken? Ist das, was hier geboten wird, politischer LSD-Pop? Die High-end-Zukunft of Lo-Fi? Sollte man tanzen oder mitsingen? Sich in Trance wiegen oder das Herz brechen lassen?
Ach, es ist im Grunde nicht so wichtig. Wichtig ist nur eins: Wenn Sie in diesem Jahr ihr Herz nur EINER schädelausbeulenden Love-Noise-Band mit herzauswringenden Texten über traurige Discotheken und kiffende Pistolenmädchen ihr Herz schenken wollen, dann lassen Sie es DIE REALITÄT sein.
DIE REALITÄT sind
Eloy Wermelskirchen – Voc., Gitarre, Bongos
Pierre Itansha – Keys, Otamaton, Git., Perc., Voc.
Kevin Lopstift – Bass, Kleingeld, Voc.
Die Unheimlichkeit dieses Sängers ist stärker als Bildchen – diese fahle Stimme, die Text tönt, manchmal einfach nur um in der Leere der Existenz noch einmal die Luft scheppern zu lassen. Süddeutsche Zeitung
Federleichter Pop und tanzbare Schwermut Soundsandbooks
Single der Woche: Die Realität – Nur die Realität TAZ