„In den 90er Jahren wurden die Russen mehr oder weniger von dem ‚freien Leben in der demokratischen Gesellschaft‘ satt. Der flächendeckende Pop geht ihnen langsam auf die Nerven. Es entsteht aufs Neue ein Widerstandspotential, diesmal gegen den korrupten, totalitären Kapitalismus und die bittersüsse Popkultur, Quelle der allgemeinen Verblödung. Der alte Geist des Rock`n Rolls scheint in Rußland wieder neu aufzuerstehen. Er hat sich äußerlich fast bis zur Unkenntlichkeit verändert, aber der kritische Anspruch ist wie früher hoch und die Musik hört sich richtig beschissen an.
Mein Freund und Kollege Yuriy Gurzhy und ich sind ständig auf der Suche nach neuer, progressiver russischer Musik für unsere Russendisko – um nicht jedesmal dasselbe auflegen zu müssen. Inzwischen wissen wir, dass die russische Musikszene sich mit dem kleinbürgerlichen Punkrock aus Sibirien und dem Zigeunerska aus Moldawien noch lange nicht erschöpft und nicht einmal unbedingt aus unserem Heimatland stammen muss. Die Russen leben längst überall – und dort, wo sie leben, singen und tanzen sie auch und spielen verschiedene Musikinstrumente. In Australien verknüpfen sie z.B. russichen Heavy Metal mit Aborigines-Folklore, in Kalifornien sind derzeit die „Roten Elvise“ am Strand ziemlich populär – sie sind angenehm dick, haben eine erotische Ausstrahlung und spielen gut zugänglichen Balalaika-Rock`n Roll, wie ihn einst Elvis Presley selbst gerne spielte.“ – Wladimir Kaminer