Pressestimmen:
Tanzkracher aus der Community
(TM) Wenn es ein Musikgenre gab, das in der Geschichte als Selbstermächtigungsorgan der Homosexuellen gedient hat, dann war es Disco – nicht zuletzt liegen die Anfänge der erfolgreichen Discokultur in den schwulen New Yorker Clubs der 70er-Jahre. Kein Wunder also, dass Disco auf der vorliegenden Compilation „Hugs and Kisses“ einen großen Raum einnimmt.
Das queere Magazin Hugs & Kisses, das seit fünf Jahren halbjährlich erscheint, hat bei Trikont diesen Sampler zusammengestellt, auf dem es herausragende Tanzkracher aus der Community vorstellt.
Mit dabei sind so illustre Namen wie, Bernadette La Hengst, Scott Matthew, Peaches (mit ihrem aktuell politischen „Free Pussy Riot!“), Light Asylum (yes!), aber auch Underground-Größen wie Lesbians on Ecstasy, Kumbia Queers, Sookee oder Hungry Hearts, die vor sehr eindeutigen Texten nicht zurückschrecken (sagen wir so: das Wort ‘Pussy’ sollte sowieso nicht nur Namensteil einer russischen Punkband sein).
Und nicht nur Disco kommt zum Zug, sondern man bekommt auch Gelegenheit, das Neueste von queerem Hip-Hop über Indiepop bis zu Gypsyrock. Die queere Community hat sich eben schon immer durch Abwechslungsreichtum ausgezeichnet.culturmag.de
„Music with content should be fun and danceable“, was hier so schlüssig im Booklet zu lesen ist, gilt ja seit jeher als Maxime der queeren Szene. Techno, Acid, House, all das bringt man ohne weiteres mit der schwul-lesbischen Tanzkultur in Verbindung – dass abseits der schillernden Clubgrößen auch bislang unbesetzte Genres wie Darkwave und Rap erfolgreich bespielt werden, möchte das halbjährlich erscheinende Hamburger Magazin Hugs And Kisses mit seinem Sampler „Tender To All Gender“ vermitteln. Und so finden sich neben den vertrauten Funkbeats der Dänen Junior Senior, Lesbians on Ecstasy aus Montreal, dem Scream Club aus Olympia/Washington und dem bizarren italienischen Danceduo Hard Ton Disco Queen auf dem Sampler auch einige Überraschungen, die durchaus nicht jedem geläufig sein dürften: So das mexikanisch-argentinische Sextett Kumbia Queers, das lateinamerikanische und afrokubanische Rhythmen angstfrei durch den Sequenzer dreht und mit den altbekannten Posen des Machismo bricht – sie nennen es Tropipunk, whatever. Auch dabei der Australier Scott Matthew, hier mit einem Stück seines letzten Albums „Gallantry’s Favorite Son“. Matthew setzt in „No Place Called Hell“ zu gemütlicher Schunkelei gallig-bitteren Zeilen, die einem die Nackenhaare aufstellen: “They break our ties and tell us that our thoughts are lies, because we know there’s nothing on the other side called hell and they can’t seem to keep us down. Are you scared ‚cause your losing control? Are you scared ‚cause your losing that hold?” Passende Wiederaufführung dann für Bernadette La Hengst und „Ein Mädchen namens Gerd“, ein bissiges Stück, das man schon von der ebenso feinen Cash-Huldigung „A Boy Named Sue“ (Trikont) kannte. Der Eurodance der Hungry Hearts aus Norwegen wiederum könnte beiläufig und lau dahinplätschern, wären die textlichen Einschübe nicht von so unverstellter sexueller Eindeutigkeit, dass die Formatradiotauglichkeit sofort wieder zum Teufel ist (“I want your pussy in my face, your fingers up my arse, your lips around my clit, your hands on my tits, I just wanna fuck you on the floor until your pussy’s sore”) – nix mit ESC also. Zwei weitere Aufmerker dann gegen Ende der Compilation – die Berlinerin Sookee kickt mit „Siebenmeilenhighheels“ den HipHop aus der Hetero-Schublade und Light Asylum aus Brooklyn schaffen es gar, mit ihrem Stück „Dark Allies“ (obschon etwas älter) gleich mehrere Vorurteile zu beerdigen – Newgoth als quasi geschlechtsloses white mens thing ist mit diesem Duo wohl endgültig vorbei. Neben den zahlreichen gesellschaftspolitischen Statements – hier natürlich auch Peaches „Free Pussy Riot“ – ist das also der nicht eben kleine Verdienst der vorliegenden Sammlung: Vielfalt, Extravaganz und Selbstverständnis gleichermaßen aufzuzeigen, ohne auf den Spaß verzichten zu müssen.
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