Aus der Ferne betrachtet mag die afroamerikanische Präsenz im Country mit Charley Pride anfangen und aufhören. Wer aber die Verstrickung schwarzer Künstler in den Country näher unter die Lupe nimmt, wird die Geschichte einer großen, schwer geprüften und oft verleugneten Liebe entdecken. Waren doch afroamerikanische Musiker von den ersten Aufnahmen an Teil der Country-Tradition. Und schon davor.
„Hillbilly Musik“, schreibt Bill C. Malone im führenden Standardwerk „Country Musik USA“, „entwickelte sich hauptsächlich aus dem von anglo-keltischen Einwanderern nach Nordamerika gebrachtem Reservoir von
Folksongs, Balladen und Tänzen, und absorbierte dabei viele Fremdeinflüsse, besonders aus der Kultur der Afroamerikaner… Von allen ethnischen Gruppen hat keine eine bedeutendere Rolle dabei gespielt, dem Countrymusiker Songmaterial und Stile zu liefern, als die aus Afrika verschleppten Schwarzen“. Der Folklorist Norm Cohen geht sogar so weit zu behaupten, erst die afrikanische Beimischung habe Country im Gegensatz zu anderer ländlicher amerikanischer Musik seinen weltweiten Appeal verschafft.
Tatsache ist: Schwarze und weiße Musiker haben sich im amerikanischen Süden stets über alle Rassenschranken hinweg ausgetauscht. Oft entwickelten sie parallele Vorlieben für gewisse Instrumentationen und Texte. Kaum ein Soulsänger, der nicht den ein oder anderen Country-Song in die Sprache des Rhythm’n Blues übersetzt hätte. Und nicht zuletzt sind da die schwarzen Musiker, die im straighten Country ihre musikalische Heimat gefunden haben und immer noch finden. „Country Songs“, erklärt der englische Musikjournalist Barney Hoskins, „fanden bei schwarzen Künstlern Anklang, weil sie Elemente enthielten, die den Blues-basierten Liedern abging, vor allem, wenn es um die Kunst des Geschichtenerzählens ging“.
Als Sammlung der unterschiedlichen schwarzen Zugänge zur Countrymusik will die Anthologie „Dirty Laundry“ nicht nur musikhistorisch Verschüttetes bergen, die oft übersehenen Country-Wurzeln von Soulstars offen legen und afroamerikanische Country-Musiker in einen Genre-übergreifenden Kontext stellen. Es geht hier vor allem darum, Fragen zu stellen, vermeintliche Selbstverständlichkeiten zu erschüttern.
„Wann erscheint auf Trikont eigentlich mal eine schlechte Platte? So wie’saussieht: niemals nicht. Auch die vorliegende Compilation „Dirty Laundry“ ist zum Fingerschlecken. Jonathan Fischer hat sich auf die Suche begeben nach den Wurzeln des Soul in den USA – und die liegen natürlich im Gospel und, ja, auch im Country. Kein Soul-Sänger, der etwas auf sich hielt, hat es sich nehmen lassen, auch eine Country-Platte zu machen. Kein Wunder, denn mit Country und Bluegrass, die auch in den armen Schwarzenvierteln aus jedem Radio zu hören waren, waren sie aufgewachsen, aus ihr bezog der Soul seine Strahlkraft. Trotz immenser Hindernisse, die den afroamerikanischen Country-Stars von der weißen Industrie in den Weg gelegt wurden, gelten viele von ihnen mittlerweile als Klassiker. Und so sind sie hier alle versammelt mit einer formidablen Auswahl dessen, was man aus dieser Zeit fischen kann.“ Titelmagazin