Wer von euch hat den Blues? Und möchte den mal so richtig ausleben? Und sich dabei so fühlen wie Gott auf einem Schaukelstuhl auf einer Veranda in Massachussetts, während ein einäugiger Hund sich daneben die Wunden leckt? Der sollte das neue Album von Michael Hurley nicht verpassen.
61 Jahre hat der Gute mittlerweile auf dem Buckel, hat seit seiner ersten Veröffentlichung im Jahr 1965 mit einem Dutzend Alben Folkgeschichte geschrieben, und wer wissen will, wo das Herz des amerikanischen Blues schlägt, der höre sich bei Michael Hurley um.
„Sweetkorn“ ist im Sommer letzten Jahres in einem Wohnzimmer entstanden, und das hört man dem Album an – was nicht negativ gemeint ist. Die Stücke atmen eine eigenartige Intimität und gelassene Zurückgelehntheit. Man fühlt sich tatsächlich wie „over yonder“ im Staub des trockenen Südens, den Blick auf grasenden Rinderherden oder so.
Langsamkeit ist das Gebot, mit einer Fluppe im Mund (reine Fantasie, vielleicht ist Hurley ja militanter Nichtraucher) wird am Banjo gezupft und der Cowboyhut zurechtgerückt.
Das Album entstand in enger Zusammenarbeit mit anderen Musikern wie Jill Gross und Dana Kletter, denen Hurley selbst die Entscheidung überließ, für welche Songs sie etwas beisteuern wollten. So war gesichert, dass sich jeder der Beteiligten möglichst zuhause fühlen konnte.
Anspieltipps sind „Barbara Allen“ und das schön klassische „The Question“. Und wenn der Himmel im anstehenden Sommer nach Feierabend seine Schleusen öffnet und den Biergartenabend platzen lässt, dann lasst euch ruhig mit Michael Hurley nieder im heimischen Wohnzimmer – auf eine Tasse Starbucks-Coffee und einen Jackie. – Zeichensprache.de, Juni 2002