Staatsbesuch des Diktators
Beim Staatsbesuch des Diktators und Schah von Persien in Berlin prügeln persische Geheimdienstler im Verbund mit der deutschen Polizei auf Demonstranten ein. Die Medien freuen sich währenddessen über die Abendrobe von Farah Diba, der Frau des Schweinehunds, und schießen sich ein auf die „Schmuddelstudenten“ auf der Straße. Der Polizist Kurras erschießt den Studenten Benno Ohnesorg.„Die müsste man vergasen“ sagten Passanten in die TV Kameras. „Ulbrichts Bürokratenregime erschiesst Menschen an der Mauer, hier wird die ernsthafte demokratische Opposition jetzt mit Mord unterdrückt“ So hiess es damals und das war später auch die verzweifelte Geburtsstimmung für den Aufbau von „Gegengewalt“ wie der `Bewegung 2. Juni . Große Empörung und Fassungslosigkeit auch unter ziemlich unpolitischen Studenten wie mir – die erste Demonstration bei der ich dabei bin ist ein großer Schweigemarsch an der Münchner Uni.
Was war das für eine Zeit.
Am 1.Juni machte uns die Beatles –Scheibe“ SGT. Pepper`s Lonely Hearts Club Band“ glücklich. Am 2. starb einer von ‚uns ‚und die Pläne für Notstandsgesetze türmten sich in vielen Köpfen auf als neues „Ermächtigungsgesetz“. Und am 5.Juni beginnt der Sechs-Tagekrieg zwischen arabischen Staaten und Israel und schickt die Palästinenser (die von den arabischen Diktaturen nur funktionalisiert werden) auf ihren langen, bis heute dauernden Leidensweg. Seitdem stirbt immer wieder und immer mehr die Hoffnung auf Versöhnung zwischen den Israelis und den Palästinensern, deren beider Schicksal uns sehr am Herzen lag.
Im gleichen Jahr gründeten Mitglieder des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund, der schon Jahre vorher aus der SPD verbannt wurde) den Trikont-Verlag als Instrument einer Gegenöffentlichkeit und Gegenkultur in einer Gesellschaft, die auf Ordnung und Ruhe und Nix-Wissen-Wollen gebaut war und unter neuen Namen einen nationalsozialistischen Untergrund in das Fundament der Gesellschaft eingezogen hatte. Die Trikont-Gründer waren sehr jung damals und gänzlich unerfahren im Verlagswesen, die aktivsten unter den Gründern waren Herbert Röttgen und Gisela Erler, beide Anfang 20. Schwerpunkte des Trikont-Programms waren die radikaldemokratischen Bewegungen hier und die Befreiungsbewegungen in der Trikontinentalen Welt, darunter Che Guevaras Bolivianisches Tagebuch. Später erschien Bommi Baumann`s „Wie Alles Anfing“, eine Abrechnung mit seiner Zeit bei der´ Bewegung 2.Juni`, die politischer war als die RAF, bei der der bewaffnete Kampf sich aber auch fatal verselbständigte: „Genossen schmeißt die Knarre weg.“ Das Buch wurde sofort verboten und nach Neuherausgabe von dreihundert mehr oder weniger bekannten Kulturträgern (Böll bis Enzensberger) zum viel diskutierten Bestseller.
Wir befreien uns selbst
Die erste Platte bei Trikont hieß „Wir befreien uns selbst“, ein Sampler aus dem Genre „Mobile Einsatz Kapellen“ mit neoprimitiver Folkmusic und do-it-yourself-Songwritern. “Keine Macht für Niemand”, die 2.LP der Ton Steine Scherben haben wir dann zusammen mit der sehr beliebten Band vertrieben, auch die erste “Warum geht es mir so dreckig?” und veröffentlichten gemeinsam die dritte „Wenn die Nacht am tiefsten.. ist der Tag am nächsten“ . Genial!
Achim Bergmann