WIR BEFREIEN UNS SELBST …
… hieß die erste TRIKONT Schallplatte von 1972, die wir hier erstmals wiederveröffentlichen.
Befreiung ist kein einmaliges Ereignis wie der militärische Sieg über die Diktatur. Sie ist dauernder Auftrag innerhalb einer Gesellschaft, die frei sein will – schrieb gerade eine grosse Tageszeitung. Seit dem Krieg gegen jede Zivilisation läuft die Befreiung bei uns im Kleinen wie im grösseren Ganzen, im Privaten und Öffentlichen, in den verschiedensten Stärken, Motivationen und Formen.
Damals benannte die antiautoritäre und Studenten-Bewegung, die gesamte ausserparlamen-tarische Opposition, den nihilistisch und brutal verseuchten Boden der Nachkriegsgesellschaft. Und fasste ihre Arbeitsplatzbeschreibung der Universitäten so zusammen: „Mief aus Tausend Jahren“.
Die Revolte damals sucht Verbündete in der ganzen Gesellschaft, auch bei Arbeitern (zu einer Zeit, als deren Existenz noch nicht unter den Begriffen wie „Arbeitswelt“ oder die „Abgehängten“ ver-schüttet wurde). Deren Arbeitsplatzbeschreibung lautete schon immer wie in den frühen Rap-Gstanzl-Songs z.B. in Wien / München um 1900: „Und ich weiß nicht, ich hab halt mit der Arbeit keine Freud‘, denn gerade mit der Arbeit versäumt man die Zeit“ (später auch im Original als Schellackfund bei Trikont veröffentlicht). Oder wie es auf dieser Platte heisst: „Da werden Menschen zu Maschinen; Maschinen, die Maschinen bedienen“.
Das Modell Akkord und Fließband nicht nur in der Fabrik, auch im Leben, wurde wichtiges Thema. An den Fließbändern arbeiteten hauptsächlich Pendler und in grosser Mehrheit „Gastarbeiter“ genannte Arbeitsimmigranten aus verschiedensten Ländern. Vor allem von den Italienern lernten wir, wie sehr Musik und gemeinsames Singen verbinden und begeistern kann. Die radikalen, selbst-gemachten Songs aus der Bewegung „Lotta Continua “ zogen uns an. Wütend,lebensfreudig und gemeinsam. Daraus lernten wir genauso wie von Bands á la Ton Steine Scherben. Es entstanden eigene Lieder, deutsche Songs mit akustischer Musik. „Arbeitersache München“ war damals die erste der sogenannten Mobilen Einsatz Kapellen, die dann zahlreich entstanden, etliche auch bei Trikont veröffentlicht.
Die Zeitung „San Francisco Bay Guardian“ begeisterte sich kürzlich für die Story von Trikont – Our Own Voice und bewunderte dessen erste Musikphase als: „neoprimitive folk, do it yourself-music, definitley Pre-Punk.“ Die kennen sich wirklich aus an der Westküste.
Nach dieser ersten Platte gab es weitere 498 LPs und CDs mit den verschiedensten und eigenartigsten Musiken. Bis heute im 50ten Jahr von Trikont – Our Own Voice, immer unter dem Motto:
Lokal-Global-Von Unten TAZ
Achim Bergmann, TRIKONT, Herbst 2017