Emigration ist eine Grunderfahrung der Moderne. Allein 60 Millionen Leute verließen Europa zwischen 1800 und dem 1. Weltkrieg. Irland, Deutschland, Polen, Italien und die Schweiz waren die Länder mit der höchsten Auswandererquote, aber auch Böhmen, Serbien, Kroatien, Finnland, Norwegen und Griechenland hatten einen Bevölkerungs-exodus zu verzeichnen.
Die meisten Auswanderer gingen in die USA, wo aus der Vermischung der vielfätligen Kulturen der Alten Welt mit neuen Einflüssen eigene amerikanische Traditionen entstanden. Ihre Erfahrungen haben die Auswanderer in Liedern thematisiert, die die ganze Palette der Gefühle widerspiegeln: von unbändiger Hoffnung bis zu tiefstem Heimweh-Schmerz. Da gibt es Songs, die den Abschied als traumatisches Erlebnis schildern, während andere vor Optimismus nur so strotzen und die Tolpatschigkeit der Neuankömmlinge – der „green horns“ – frech auf die Schippe nehmen
In vielfältigen Brechungen wurden die Klänge der Diaspora, das ganze Geflecht der europäischen Folk-Traditionen in den USA im Zusammenprall mit der Musik der aus Afrika Verschleppten, zum Urgrund einer Allamerikanischen, modernen Popularmusik. Alles floß darin zusammen: die Balladen, die die englischen Siedler in die Bergwelt der Appalachen gebracht hatten, die ausgelassenen Polkas der Böhmen und Deutschen aus Texas und dem Mittleren Westen, die Jodler der Schweizer und Österreicher, die Gesänge der schwarzen Bluessänger aus dem Delta, die wuchtigen Basslinien der Blaskapellen aus New Orleans und anderwo, der Witz der Calypso-Sänger aus der Karibik, die Intensität der Kirchenhymnen aus dem Süden, die wilden Tanzweisen der Cajuns aus Louisiana.