Kraudn Sepp (1896 – 1977) ist zurecht ein Mythos in der bairischen Volksmusik. So also konnte sie auch klingen, als eigenständige Musik der Leute, nicht dieser Schund als Ausdruck von Staatsraison, ödem Kommerz oder bestenfalls langweiliger Kunstmusik. Der Bauer Josef Bauer (wie er sich eigentlich “schrieb”) aus dem Isartal hat sein Leben lang mit Musik gelebt, mit Liedern aus dem Leben dort und seinen Erfahrungen, aus der Beobachtung von Menschen. Lieder, die den Bayern aufs Maul schauten und zwar ziemlich genau, mit eckigem Humor, manchmal boshaft oder einfach rechtschaffen das Leben von Unangepassten und Außenseitern erzählend. Er konnte keine Noten lesen, nutzte die unterschiedlichsten Liedformen, hielt sich nicht an starre Regeln, er war einfach ein Wirtshaussänger und Leuteunterhalter. Was sollte es neben dieser tatsächlich gelebten noch für “echte” Volksmusik geben, das verstand der Kraudn Sepp gar nicht erst, meine Lieder ” san doch net schiach” (unansehnlich) meinte er dann. Seine Gitarre war die Zither, sein heiserer Gesang ungekünstelt, in seinem Vortrag kam seine ganze Persönlichkeit und Charme zum Vorschein. Sein Repertoire – all die Zwiefachen, Gstanzln, Landler, Wilderer- , Arbeits-, Liebes- und Erzähllieder, Balladen – bestimmte er selbst und seine Hörer. Obwohl er schon 1930 am berühmten Preissingen von Rottach Egern beteiligt war, stand er in der Volksmusikszene eher am Rande, ignorierte ihn der Rundfunk lange. Erst im Alter wurde er so etwas wie eine Kultfigur, wird geliebt von den Biermöslblosn bis Willy Michel, von Hans Söllner bis zu den Attwengern : “Bis ins hohe Alter saß da immer noch der junge, schneidige Isarwinkler, wenn er mit schweren Arbeitshänden exakt und sauber seine Landler gespielt oder die spottvollen Strophen gesungen hat.” Wie bei den großen Vorfahren des amerikanischen Folk, die zwischen den Appalachen und Memphis die Grundlage legten für die Revolution der modernen Popularmusik, sind Eigenwilligkeit, Individualität und Unverkennbarkeit in der Menge das Kennzeichen eines Musikers wie dem Kraudn Sepp – und wir kennen nicht viele davon.