Als vor drei Jahren das wie man so schön sagt selbstbetitelte Debütalbum von Lydia Daher auf Trikont erschien, hinterließ es eine breite Spur der Begrüßung im deutschen Musikfeuilleton. Und eine etwas peinlich berührte Protagonistin. Schließlich war die Platte mehr aus Versehen entstanden, als Experiment, als Nebenprodukt.
Lydia Daher ist von Haus aus nämlich Lyrikerin. Die Aufnahmen zu dem, was ihr
erster musikalischer Wurf werden sollte, entstanden zuhause mit Mac und Klampfe in einem heißen Sommer und wirklich nur so zum Spaß. Kein Gedanke an Plattenveröffentlichung, dazu musste sie seinerzeit erst überredet werden. Beim neuen, im Herbst 2010 erscheinenden Album namens Flüchtige Bürger ist das natürlich vollkommen anders. Lydia Daher ist inzwischen ein bisschen getourt und hat sich einen respektablen Ruf erarbeitet, als Lyrikerin und Musikerin gleichermaßen. Und wenn das Interesse schon mal da ist, kann man sich fürs zweite Album ruhig noch ein bisschen mehr Mühe geben. Mal die Songs in aller Ruhe schreiben statt aus dem Ärmel schütteln. Überlegen. Ein bisschen was ändern, die Sache neu aufrollen: im Freundeskreis fähige Mitmusiker suchen, Lust auf richtigen Bandsound, Laptop adé. Ein richtiges Schlagzeug und ein richtiger Bass, gespielt von echten knackigen Einwanderersöhnen.
Ein bisschen Klavier und Synthie gehen immer. Dann einen Platz zum Aufnehmen finden, einen geheimen Ort, zentral, abschließbar und mietfrei. Und los! Manche Songs sind bereits in einem schwierigen Alter und lassen sich nichts
mehr sagen. Manche kommen ins Studio und wissen immer noch nicht so recht, was sie mal werden wollen. Alle aber betteln sie um Aufmerksamkeit, alle wollen sie unvergleichlich sein, im Mittelpunkt stehen, alle wollen sie besser werden als
das Lied davor und das Lied danach. Lydia und ihre Jungs haben das verstanden und aus einem Haufen egomanischer Rohdiamanten ein echtes Team geformt, in dem jeder jede Position spielen kann, ohne in der Masse guter Songs unterzugehen. Jogi Löw würde sich verstanden fühlen.
Aufgenommen wurde in Eigenregie, diesmal aber mit richtigem Equipment, geliehen von unterstützungsfreudigen Mitbürgern. DIY. Man lässt sich ungern reinreden. Nicht mal vom Produzenten. War aber auch gar nicht nötig. Am Ende kommt ein Album raus, bei dem es eigentlich schade ist, dass das ehrwürdige Ritual des Singleauskoppelns heuer so unwichtig geworden ist. Man könnte locker ein halbes Dutzend Singles auskoppeln… sei’s drum. Man höre und staune. Und nicht vergessen: hinterher das Handy wiederanmachen.
„Auf die Dauer wird uns unsere Jugend auch nichts nützen“ – in diesen Texten öffnen sich geheime Türen, durch die das Leben im Jahre 2010 winkt. Die Augsburgerin Lydia Daher hat ihr zweites Album in Trio-Besetzung eingespielt. Das Ergebnis ist wortmächtiger deutscher Pop, der dem Lo-Fi entwachsen ist, ohne im Bewusstsein erwachsen zu werden, eingepennt zu sein.“ Abendzeitung