Was ist das eigentlich – jüdische Musik? Wie klingt sie? Wo, von wem und wie wird sie heute gespielt? Eine eindeutige Antwort auf diese Fragen wird es nicht geben – die Juden haben sich über die ganze Welt zerstreut, sie haben sich mehrheitlich assimiliert und in den Kulturen anderer Völkern fast aufgelöst. Die Vorstellung, dass eine typisch jüdische Band von heute aus Israel kommen und Klezmer spielen muss, ist sehr weit von der Realität entfernt, beinahe absurd.
Die jungen jüdischen Musiker, die hier unter einem Dach untergebracht sind, gehören zu jener Generation, die nach dem Klezmer – Revival der Siebziger gekommen ist. Sie spielen Punk und Surf, Ska und Reggae, HipHop und Drum’N’Bass, die sie bewusst mit nationalen Zutaten mixen. Man hört Klezmer – Anspielungen oder Zitate aus den Yiddish – Swing – Schlagern, Klänge eines Marktes in Jerusalem oder den Refrain eines Gute – Nacht – Liedes, das von den Großeltern gesungen wurde. Genüsse und Schwierigkeiten des Judenseins werden in den Texten thematisiert – es wird auf Yiddish gesungen, auf Hebräisch gebrüllt, Englisch oder Russisch gerappt, passende Samples aus der Schallplattensammlung der Großeltern peppen die Songs auf.
Diese innovativen Versuche, eine Balance zwischen der Tradition und den aktuellen Musikrichtungen zu finden, sind oft frech und nicht ausgegoren, gleichzeitig aber erfrischend und aufregend.
Immer wieder begegnen wir Künstlern jüdischer Abstammung, die sich musikalisch mit ihren Roots befassen. Die Palette reicht von einer skurrilen Klezmerpunk – Band aus Moskau „Nayekhovichi“, die „Paint It Black“ auf Yiddish covert, bis hin zu international erfolgeichen Acts wie dem strenggläubigen New Yorker Reggaesänger Matisyahu. Als begeisterte Beobachter und Mitmacher dieser Bewegung wollen wir einen Auswahl der spannendsten Titel von renommierten sowie vielversprechenden Künstlern vorstellen, die nach unserer Meinung die Superstars des globalen Shtetl sind.
Yuriy Gurzhy – Sept. 2006